Die Ärztin und Autorin Chris Zett hat ihren zweiten lesbischen Liebesroman ins Deutsche übersetzt. In diesem Interview erzählt sie uns von Inspirationen für Zu Herzen genommen, ihrer Liebe zu Listen und sie verrät außerdem, wer der heimliche Star des Romans ist.
Kannst du uns in ein paar Sätzen erzählen, wovon deine LGBT+ Neuerscheinung Zu Herzen genommen handelt?
Die Kardiologin Jess ist gerade Mutter geworden, als eine plötzliche Erkrankung ihr sorgfältig geplantes Leben aus der Bahn wirft. Sie zieht vorübergehend zu ihrer Mutter und trifft dort auf deren Mieterin Lena.
Anfänglich kann Jess nichts mit Lenas Fröhlichkeit anfangen, aber allmählich gibt sie ihren Widerstand auf.
Die neue Freundschaft hilft sowohl Jess als auch Lena, alte Wunden zu heilen und gemeinsam eine neue Liebe zu finden.
Wie ist die Idee zu diesem lesbischen Liebesroman entstanden und wie lange hat es gedauert, bis du den Roman geschrieben hattest?
Das ist schwer zu sagen, weil ich die Themen und Charaktere über eine lange Zeit wie ein Puzzle zusammengefügt habe. Vor Jahren hatte ich eine Patientin, die das gleiche Herzproblem wie Jess hatte. Damals habe ich viel über das Thema gelesen und einen Vortrag in unserer Abteilung gehalten. Anschließend hat mich die Frage nicht mehr losgelassen, wie eine so plötzliche Erkrankung das Leben einer Frau verändern kann. Daraus entwickelte sich der Charakter von Jess. Und Lena ist in gewisser Weise als ihr Gegenpol entstanden.
Praktischerweise führe ich gern Listen (übrigens genau wie Jess), daher kann ich relativ genau beantworten, wie lange ich gebraucht habe: Über einen Zeitraum von 8 Monaten habe ich an 71 Tagen geschrieben, bis die Originalversion fertig war. Dazwischen habe ich mein erstes Buch (Aus dem Takt geraten) auf Deutsch übersetzt. Für die erste Fassung der Übersetzung von Zu Herzen genommen habe ich eigentlich nur 40 Arbeitstage gebraucht, aber ich verrate lieber nicht, wie viel Zeit – und graue Haare – mich die Überarbeitung gekostet hat.
In dem lesbischen Liebesroman Zu Herzen genommen prallen Welten aufeinander. Während Jess eine ambitionierte Ärztin, finanziell abgesichert, aber emotional distanziert ist, ist Lena weltoffen, kreativ, herzlich, und lebt am Rande des Existenzminimums. Was hat dich zu dieser Konstellation inspiriert?
Am Anfang des Buches sollte die Kluft zwischen beiden so groß wie möglich sein. Ich wollte zeigen, dass sie trotz aller äußerlichen Unterschiede viele Gemeinsamkeiten entdecken können. Jess und Lena haben ähnliche Ängste und Sorgen, jedoch auch Träume, die gut zusammenpassen.
Du bist selbst als Ärztin tätig. Lässt du dich je von dir bekannten Personen oder Situationen aus deinem Arbeitsumfeld für Figuren und Szenen deiner queeren Romane inspirieren?
Jein. Natürlich inspiriert mich mein Arbeitsumfeld, genau wie alles andere auch, das ich erlebe. Allerdings sind alle Figuren und Szenen immer Mischungen aus meinen Erfahrungen und meiner Fantasie. Eigentlich sollte sich keiner wiedererkennen, der das Buch in die Hand nimmt.
Jess ist eine lesbische Karrierefrau, die zu Beginn des Romans durch eine künstliche Befruchtung schwanger geworden ist und fest plant, Ella als alleinerziehende Mutter großzuziehen. Warum hast du dich entschieden, diese modernen Gesellschaftsthemen in deinem Lesbenroman zu vereinen?
Im Zentrum meiner Geschichten stehen immer die Charaktere und für Jess’ Persönlichkeit war es einfach die richtige Entscheidung.
Genau wie Jess im Laufe des Buches, habe ich auch erst langsam beim Schreiben bemerkt, dass es sich bei ihren Konflikten nicht nur um individuelle Probleme, sondern um gesellschaftliche Herausforderungen handelt.
Nicht bloß Jess und Lena finden sich in Zu Herzen genommen plötzlich auf engstem Raum miteinander lebend wieder, sondern auch Jess’ Mutter und ihre Tochter Ella. Welche Stellung nimmt Ella in der Annäherung und möglichen Liebesbeziehung von Jess und Lena ein?
Ella ist die Eisbrecherin und der heimliche Star. Mit ihr darf Jess ihre liebevolle und verwundbare Seite zeigen und Gespräche über Ella führen zu ersten positiven Kontakten zwischen Jess und Lena. Außerdem hilft sie Lena, sich mit ihrer Vergangenheit auszusöhnen.
Ohne Ella wäre es ein rein romantischer Liebesroman. Mit ihr kann ich auch andere Arten von Liebe im Leben meiner Protagonistinnen zeigen.
Chris Zett lebt mit ihrer Frau in Berlin. Das Fernsehen inspirierte sie zum Medizinstudium. Der Alltag im Krankenhaus unterscheidet sich leider deutlich vom TV: weniger Heldentaten, mehr Papierkram. Der Teil mit einer Arbeitsplatz-Romanze erwies sich jedoch als wahr.
Dem Alltag entflieht sie am liebsten durch Lesen, Schreiben oder Reisen. Die schönsten Reiseziele der letzten Jahre waren Steinkreise in Schottland und Pinguinkolonien in Patagonien.