Die Fans von Andrea Bramhalls Ein Fall für Kate Brannon-Serie (engl. Norfolk Coast Investigation Story) dürfen gespannt sein. Im Juli ist nämlich „Das Skelett im Bunker“, der zweite Teil der britischen Autorin, in deutscher Sprache erschienen. In unserem Interview erzählt Andrea Bramhall unter anderem, wie sie für den zweiten Teil „Das Skelett im Bunker“ recherchiert hat und warum sie mit diesem Kriminalfall auch auf schwierige Themen anspielt. Dabei gibt sie tiefe Einblicke in ihr privates Leben und spricht ganz offen über eigene Erfahrungen.
Kannst du uns kurz erzählen, worum es in „Das Skelett im Bunker“, dem zweiten Fall von Detective Kate Brannon, geht?
„Das Skelett im Bunker“ beginnt mit dem Fund eines Skelettes in einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, der an einem Strand in Norfolk unterhalb eines Golfplatzes liegt. Die Geschichte folgt Detective Kate Brannon und ihrem Team bei den Ermittlungen zu diesem mysteriösen Todesfall.
Währenddessen kommen sich Kate und Gina, die sich im ersten Teil kennengelernt haben, näher. Beide hoffen, dass sich ihre Beziehung weiterentwickelt und sich die Gefühle, die sie füreinander haben, vertiefen.
Die Leser*innen finden gleich zu Beginn heraus, wie und warum das Opfer in einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg endet. Man erfährt zudem die Beweggründe des Mörders zu töten. Warum hast du dich für dieses Konzept des Erzählens entschieden?
Das habe ich bei jeder Geschichte aus der Ein Fall für Kate Brannon-Serie so gehandhabt, aus dem einfachen Grund, weil ich dem Opfer mehr Persönlichkeit geben wollte. Es sollte mehr als nur Knochen in einem Bunker oder ein toter Körper auf dem Deich sein. Damit das Opfer sich für die Leser*innen realer und greifbarer anfühlt. Und für mich. Es lässt mich tiefer in die Opfer einfühlen, und damit hoffentlich auch die Leser*innen.
„Das Skelett im Bunker“ ist ein Krimi mit einer romantischen Nebenhandlung. Und er spielt auf einige schwierige Themen an: Die Qualität der Altenpflege, Euthanasie und PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung). Was hat dich dazu inspiriert, diese Themen aufzugreifen?
Puh, das ist eine schwierige Frage. Die einfache und zugleich schwierige Antwort: Erfahrung.
Während des Studiums habe ich als Aushilfe in Altenpflegeheimen gearbeitet. Ich habe Menschen gesehen, die sich liebevoll um die alten Menschen gekümmert haben, und welche, die grausam und gleichgültig in ihrem Job waren. Und viele Graustufen dazwischen. Als mein Großvater dann die Diagnose Alzheimer erhielt und schließlich in ein Pflegeheim musste, habe ich die andere Seite erlebt. Nichts daran war schön, obwohl alle Beteiligten ihm die beste Pflege zuteilwerden ließen und auch meiner Großmutter zur Seite standen, die meiner Meinung nach mehr gelitten hat als mein Großvater. Vergangenen Februar ist er gestorben. Rückblickend fühlt es sich so an, als hätten wir ihn dreimal verloren: Das erste Mal mit der Diagnose Alzheimer, das zweite Mal, als er nach und nach vergessen hat, wer wir waren, und schließlich, als sein Leiden ein Ende hatte.
All diese Dinge und Erfahrungen fütterten meine irgendwie morbide Faszination für dieses Thema, ließen mich darüber reflektieren und in dieses Thema eintauchen. Angesichts des Verfalls meines Großvaters musste ich wohl unbewusst meine Gefühle und Gedanken darüber ergründen.
Ich fand nur eine einzige Antwort: Dass es keine einfachen Antworten gibt. Jede einzelne Situation im Leben, mag sie auch noch so ähnlich sein, kann nicht auf dieselbe Weise gesehen oder entschieden werden. Denn auch kein Mensch gleicht dem anderen, jeder ist unterschiedlich. Daher habe ich das Thema von beiden Seiten betrachtet, um Antworten zu finden. Näher konnte ich dem ganzen Thema nicht kommen. (lacht)
Das Thema PTBS in der Geschichte aufzugreifen war schon eine schwierigere Entscheidung. Aber ich hatte das Gefühl, es tun zu müssen. Am Ende des ersten Teils aus der Ein Fall für Kate Brannon-Serie macht Gina eine grausame und traumatische Erfahrung. Sie überlebt, aber nicht ohne Narben, körperliche und seelische. Was ich an vielen Buchreihen gar nicht mag, ist, wie oft die Charaktere solche Erfahrungen scheinbar abschütteln wie nichts. Das ist nicht realistisch. Kaum eine*r kann das. Zivilpersonen sind nicht darauf trainiert, mit einer solchen Gewalt und Grausamkeit umzugehen. Gina muss irgendwelche Auswirkungen davon zeigen. Um also sowohl der Figur Gina, als auch dem Leben gerecht zu werden, hatte ich das Bedürfnis, dieses Thema aus Ginas Perspektive aufzugreifen.
„Das Skelett im Bunker“ spielt wieder in Norfolk, wo du lange Jahr gelebt und gearbeitet hast. Ist es leichter, wenn man den Schauplatz gut kennt oder ergeben sich gerade daraus beim Schreiben Schwierigkeiten?
Über einen Schauplatz zu schreiben, der einem vertraut ist, hat seine Herausforderungen. Ebenso, wenn der Schauplatz nicht vertraut ist. Wenn er vertraut ist, muss man weniger recherchieren. Aber die Tendenz, zu viel zu beschreiben, ist groß. Man muss darauf achten, die Beschreibungen nicht zu überladen oder reale Menschen in die Szenen zu packen – unbewusst und unabsichtlich natürlich. Ist der Schauplatz hingegen fremd, helfen Vorstellungsgabe und Recherche dabei, Lücken zu füllen. Ich mag die Arbeit mit beiden Methoden. Norfolk habe ich als Schauplatz für die Krimiserie ganz einfach deshalb gewählt, weil die Vorstellung der Mordfälle hier perfekt funktioniert. Ein Umstand, der bei meiner Frau eine gewisse Angst ausgelöst hat (lacht).
Woher nimmst du die Ideen für deine Kriminalgeschichten? Ist Norfolk so ein Hotspot für Mord und Totschlag?
(lacht) Überhaupt nicht. Wie in vielen ländlichen Regionen ist die Kriminalstatistik in Norfolk sehr gering. Viel mehr als geklaute Äpfel gibt es hier nicht an Kriminalität. Woher nehme ich die Ideen für die Kriminalgeschichten…? Vorstellungsgabe, glaube ich. Ich finde nahezu überall Inspiration. Diese Geschichte war eine Mischung aus Entdecken und Erforschen eines Bunkers am Strand von Brancaster und der schwindenden Gesundheit meines Großvaters. „Die Tote im Marschland“ entstand, als ich mit den Hunden den Küstenweg entlang ging und hörte, wie die Farmer mit ihren Gewehren auf die Gänse schossen, um sie von den Feldern zu vertreiben. Ich hab mich automatisch geduckt. Und ich dachte Was, wenn hier draußen jemand auf mich schießen würde? Man weiß ja nie! So einfach kann die Inspiration buchstäblich sein.
Der zweite Teil greift die Liebesgeschichte zwischen Detective Kate Brannon und Gina Temple, die sich mit den traumatischen Erlebnissen aus Kates erstem Fall auseinandersetzen muss, auf. Was magst du an den beiden Hauptcharakteren und ihrer Liebesgeschichte?
Ach, Kate verdient es einfach, glücklich zu sein. Sie war für so lange Zeit alleine und ist immer für andere da. Und auch Gina hatte so eine besch… Zeit. Ich will, dass beide glücklich sind, und wahrscheinlich lasse ich sie auch dort hinkommen… Aber ich tendiere dazu, dass sie dafür erst noch hart arbeiten müssen.
Eine Frage bleibt am Ende des Buches offen. Wird es also einen weiteren Mordfall für Kate Brannon geben?
Ganz sicher. „The Last first Time“ ist im Ylva Verlag bereits in Englisch zu erhalten und wird im Sommer 2019 auch auf Deutsch erscheinen.
Andrea Bramhall hat Musik und bildende Künste an der Universität von Manchester studiert und im Jahr 2002 ihren Abschluss in Gegenwartskunst gemacht. Und ganz bestimmt wird es ihr eines Tages von Nutzen sein. Möglicherweise. Wenn sie nicht gerade alle Hände voll zu tun hat mit ihrer Ferienanlage im Lake District, ist sie an ihrem Laptop zu finden, wo sie all die Geschichten aufschreibt, die sie ansonsten nicht schlafen lassen. Oder sie liest, wandert mit ihren Hunden durch die Berge und macht ein paar Tausend Fotos dabei, geht tauchen, um dabei ein paar Tausend Fotos zu machen, schwimmt, fährt Kajak, spielt Saxofon oder fährt Fahrrad. Auf Deutsch ist von Andrea gerade „Das Skelett im Bunker“ erschienen.