Vielleicht haben Sie schon einmal die Redewendung gehört: Dein erstes Kapitel verkauft dein Buch und dein letztes Kapitel verkauft dein nächstes Buch.
Selbst wenn Sie einen packenden Anfang und einen interessanten Mittelteil schreiben, werden Leserinnen und Leser Ihr Buch gegen die Wand werfen und niemals ein anderes Buch von Ihnen kaufen, wenn das Ende Ihres Romans nicht zufriedenstellt.
Was also benötigt man um ein zufriedenstellendes Ende zu schreiben?
Lassen Sie uns erst einmal die Struktur vom Ende einer Geschichte betrachten. Enden bestehen aus zwei Teilen:
1) Der Höhepunkt
Der Höhepunkt ist der Punkt der höchsten Spannung und Action. Alles im Roman führt zu diesem Moment, in dem die Protagonisten sich schließlich ihren Ängsten und Schwächen in einer letzten Auseinandersetzung stellen. Der Kommissar riskiert sein Leben, um den Mörder zu fangen. Die Hauptperson riskiert ihr Herz, indem sie der potentiellen Partnerin oder dem potentiellen Partner ihre Liebe gesteht.
Hier sind ein paar Tipps zur Höhepunkt-Szene:
- Vermeiden Sie “Deus Ex Machina” Enden: Dieser lateinische Begriff bedeutet übersetzt “Gott aus einer Maschine”. Es leitet sich von griechischen Dramen ab, in denen ein Gott mit Hilfe einer kranähnlichen Maschine auf die Bühne schwebte, um die Probleme der Sterblichen zu lösen. Für moderne Leserinnen und Leser ist das kein zufriedenstellendes Ende. Lassen Sie Ihre Protagonisten nicht von außenstehenden Dritten oder einem Zufall gerettet werden. Also zum Beispiel von der herbeieilenden Kavallerie, die in letzter Sekunde den Planwagenzug rettet. Die Protagonisten müssen ihre Probleme selbst lösen.
- Die besten Enden sind überraschend, aber unausweichlich. Das Ende des Romans sollte sich als logische Folge aus allen vorherigen Ereignissen ergeben, selbst dann, wenn die Leserinnen und Leser es nicht haben kommen sehen.
- Ein gutes Ende kann überraschend sein, sollte aber nicht vollkommen aus dem Nichts kommen. Benutzen Sie das sogenannte „Foreshadowing“ und streuen Sie schon weiter vorne im Buch Andeutungen und Hinweise ein, sodass dann im Höhepunkt keine neuen Elemente mehr auftauchen. Wenn Sie zum Beispiel einen Kriminalroman schreiben und sie haben die Tochter, die Ehefrau und den Diener eines toten Millionärs als Verdächtige etabliert, sollten Sie nicht plötzlich im Höhepunkt eröffnen, dass er auch noch einen unehelichen Sohn hatte, der sich als Mörder herausstellt. Schauen Sie sich den Film The Sixth Sense an. Das Filmende ist überraschend, aber logisch. Das Ende bringt Sie dazu, die Geschehnisse des Films in einem anderen Licht zu sehen. All die Hinweise waren schon da, der Zuschauer erkannte sie jedoch nicht als, das was sie waren.
- Alle Elemente des Höhepunkts sollten schon früh im Roman etabliert worden sein. Führen Sie im Höhepunkt keine neuen Inhalte oder neue Konflikte mehr ein. Wenn Ihre Protagonistinnen dabei sind, einander ihre Liebe zu gestehen, sollte nicht eine plötzlich entscheiden, dass sie keine Beziehung beginnen kann, weil sie im Begriff ist, für ein großartiges Jobangebot nach Australien zu ziehen. Falls Sie das tun möchten, müssen Sie den Konflikt zwischen Liebe und Beruf schon früher im Roman einführen.
- Weichen Sie nicht der großen Konfrontation aus. Die Hauptfigur muss sich der letzten großen Herausforderung stellen, dem Showdown mit dem Gegenspieler. Es darf nicht plötzlich ein friedlicher Kompromiss gefunden werden, bei dem alle zufrieden nach Hause gehen.
- Zeigen Sie den Höhepunkt in einer Szene voller Action, Dialogen und Emotionen. Lassen Sie die Leserinnen und Leser unmittelbar dabei sein, statt nur Bericht zu erstatten. Mehr zum Thema „zeigen statt behaupten“ finden Sie hier.
- Das Ende der Geschichte sollte den Konflikt lösen und die Hauptfrage der Geschichte beantworten. Werden die Protagonistinnen ihr Happy End bekommen? Wird der Kommissar den Mörder fassen? Wenn Sie nicht sicher sind, wie Sie Ihre Geschichte enden lassen sollen, könnte Ihr wirkliches Problem sein, dass Sie keinen klaren Konflikt oder keine deutliche zentrale Frage herausgearbeitet haben.
2) Die Auflösung (Dénouement)
Die Auflösung beschließt die Geschichte und zeigt, was in Folge des Höhepunktes mit den Hauptcharakteren passiert.
Eine gute Auflösung sollte drei Eigenschaften besitzen:
- Abschließend: Das Ende muss Leserinnen und Leser erahnen lassen, was mit den Protagonistinnen nach dem Ende der Geschichte passieren wird. Wie wird ihr Leben aussehen, nachdem sie den Hauptkonflikt der Geschichte gemeistert haben (oder an ihm gescheitert sind)? Alle Handlungsstränge müssen beendet und alle offenen Fragen beantwortet werden. Erstellen Sie während des Schreibens eine Liste mit allen aufgetretenen Konflikten und allen Fragen, die bis zum Ende des Buches beantwortet sein müssen. Selbst wenn Sie eine Fortsetzung planen, müssen Sie die zentralen Handlungsstränge des Buches auflösen. Leserinnen und Leser hassen es, wenn sie auf das zweite Buch warten müssen, um herauszufinden, was mit den Protagonistinnen passiert. Geben Sie den Leserinnen und Lesern zumindest das Gefühl, dass eine teilweise Lösung erreicht wurde.
- Unmittelbar: Die letzte Szene sollte auch genau das sein: Eine Szene, keine Zusammenfassung oder statische Überlegungen der Protagonistin. Zeigen Sie durch Handlungen und Dialoge in der letzten Szene, wie die Charaktere sich durch die Ereignisse im Buch verändert haben.
- Kurz: Fassen Sie sich in der Auflösung kurz. Wenn sich die Auflösung zu lange hinzieht, verliert der Höhepunkt an Wirkung. Lassen Sie das Buch so nah wie möglich am Höhepunkt enden. Versuchen Sie, Nebenhandlungen schon früher aufzulösen, sodass Sie nicht alles erst am Ende aufklären müssen.
Übrigens ist ein zufriedenstellendes Ende nicht unbedingt mit einem Happy End gleichzusetzen. Aber natürlich gibt es in manchen Genres bestimmte Erwartungen, was das Romanende angeht. Leserinnen und Leser von Liebesromanen erwarten in aller Regel, dass die Hauptpersonen zusammenkommen. Aber selbst dann bedeutet Happy End nicht, dass die Hauptpersonen außer sich vor Freude sein und alles bekommen müssen, was sie jemals wollten. Es reicht aus, das Buch auf eine Art und Weise abzuschließen, die den Leserinnen und Lesern sagt, dass die beiden Hauptfiguren alle vor ihnen liegenden Probleme gemeinsam angehen werden.
Haben Sie weitere Tipps zum Schreiben von zufriedenstellenden Enden? Welche Bücher oder Filme sind Ihnen aufgrund ihres gelungenen Endes im Gedächtnis geblieben? Wir würden uns freuen, wenn Sie einen Kommentar hinterlassen.