Ich liebe es, über das Verlangen zwischen Frauen zu schreiben. Es macht mir unglaublichen Spaß und es ist auch ein Privileg. Wie viele Frauen hatten im Laufe der Geschichte schon die Chance, lesbische Erotik zu schreiben und diese auch zu veröffentlichen? In einer Zeit zu leben, in der es möglich ist, jegliche Art von LGBT+-freundlicher Erotik mit Schriftstellern und Lesern auf der ganzen Welt zu teilen, ist schon ziemlich bemerkenswert.

Rückblickend hatte ich einige Dinge jedoch gerne gewusst, bevor ich mich ans Schreiben lesbischer Erotika gewagt habe.

 

 

 

#1 EIN GUTES WÖRTERBUCH KAUFEN

Beim Schreiben von Büchern mit vielen erotischen Situationen wirst du schmerzlich erfahren, was passiert, wenn die Grenzen des menschlichen Körpers an die Grenzen des sprachlich Machbaren stoßen. Im Grunde gibt es bestimmte Dinge, die du immer wieder beschreiben musst, und nur  begrenztes Vokabular, um das zu tun.

Das führt zu einigen seltsamen Dilemmata.

Habe ich schon „zitterte“ geschrieben? Gibt es eine Metapher für die Gesäßspalte, die nicht lächerlich wirkt? Soll ich das Stöhnen eines Charakters ausschreiben − „Oooooh“ − oder ist das die unattraktivste Sache überhaupt? Was halte ich von dem Wort „Titten“? Ist es verspielt und lustig oder unreif und sexistisch? Oh nein, habe ich gerade wieder „zitterte“ geschrieben? Und ist „angeschwollen“ okay, oder ein bisschen zu grob?

Sexszenen zu schreiben ist hart, aber es hat mich auch zu einem entspannteren Leser gemacht. Natürlich haben wir alle schon Erotika gelesen, die uns erschaudern ließ − ich persönlich würde die Verwendung des Wortes „Zitze“ gerne in jedem anderen Kontext als der Tierhaltung verbieten. Und Beschreibungen, die frauenfeindlich, rassistisch oder ähnlich problematisch sind, sind natürlich auch nicht in Ordnung. Aber inzwischen habe ich mehr Sympathie für KollegInnen, die sich bemühen, zum vierten Mal auf ein und derselben Seite feuchte Unterwäsche zu beschreiben.

 

#2 WESSEN NIPPEL SIND DAS?

Als meine exzellente Lektorin mich warnte: „Vermeide Unklarheiten darüber, wessen Brustwarzen sich versteifen“, wurde mir klar, dass dieses lesbische Schreibabenteuer nicht einfach sein würde.

Das Schreiben von intimen Szenen zwischen Charakteren des gleichen Geschlechts kann schwierig sein. Ist das Pronomen „sie“ in diesem Satz verwirrend? Sollte ich ihre Namen aus Gründen der Klarheit häufiger verwenden? Ist es jemals in Ordnung, die Dinge aufzulockern, indem man sich auf Charakterbeschreibungen wie „die Brünette“ oder „die ältere Frau“ bezieht? („Nein“ −Lektorin.)

Aber vielleicht ist das nur ein Zeichen dafür, dass wir zu lange vom Lesen und Schreiben über Frauen abgehalten wurden. Schließlich gelingt es den meisten Menschen Bücher von Tolkien und Le Carré zu lesen, ohne sich darüber zu wundern, welcher der hundert verschiedenen männlichen Figuren was tut.

Hat Tolkien jemals mit Brustwarzenverwirrung zu kämpfen gehabt?

 

#3 „ES IST LESBISCHE EROTIK, KEIN PORNO!“

Ich möchte nicht kleinlich wirken. Aber ich werde Menschen weiter korrigieren; es gibt einen großen Unterschied zwischen lesbischen Erotikromanen und Pornografie. In Pornos sieht man echte Menschen, die vor der Kamera echten Sex haben. Erotik bedeutet, dass ich in meinem Pyjama, umgeben von Kaffeetassen und einer schlafenden Katze auf meinen Füßen versuche, Synonyme für „feucht“ zu finden. Sorry, ich hoffe, das hat jetzt nicht die Stimmung von irgendjemandem zerstört.

Außerdem hat lesbische Erotik trotz ihrer vielen Problemen eine lange Tradition, von und für Frauen geschaffen zu werden. Pornos dagegen? Nicht wirklich.

 

 

#4 WENN DAS FEUCHTFRÖHLICHE SPIEL ZUR ARBEIT WIRD

Mein Schreiben mit anderen Menschen teilen zu können, ist für mich ein wahrgewordener Traum. Aber etwas ändert sich, wenn man beauftragt wird, etwas zu tun, das früher ein lustiger Zeitvertreib war. Plötzlich wird dein Hobby zu deinem Beruf. Du findest dich grummelnd über Kommas wieder und murrend darüber, dass du mehr Cunnilingus beschreiben musst. „Komm schon, die Sonne scheint! Ich will spazieren gehen! Und ist es nicht ma wieder Zeit, dass ich das Badezimmer putze?“

Also, nimm dir eine Auszeit. Kauf dir ein paar neue Bücher. Lies deine alten Favoriten noch einmal durch. Sprich mit Freunden über die Autoren, die du liebst. Und schreib andere Sachen: Poesie, Fanfiktion, Blogposts, Ideen für Romane. Erinnere dich daran, warum du überhaupt mit dem Schreiben angefangen hast.

 

#5 SOLL ICH OMA SAGEN, DASS ICH LESBISCHE EROTIKA SCHREIBE?

Wer hätte gedacht, dass es ein zweites Coming Out für mich geben würde, als Autorin von unartigen Geschichten? Es ist aufregend zu erfahren, dass dein Buch veröffentlicht wird… bis dir einfällt, dass dein Chef das Buch lesen könnte.

Möchte ich, dass meine Arbeitskollegen wissen, dass ich eine Geschichte über sich vergnügende Nonnen geschrieben habe? Kann ich bei meinen Heterofreunden mit meinem Buch prahlen, oder wird es zu unangenehm, wenn sie von der Dildogeschichte aus den 1930er Jahren erfahren? Und soll ich es meinen Eltern sagen?

Einige Schriftstellerinnen der lesbischen Erotik sind sehr stolz und teilen ihre Berufung mit allen, andere halten es streng geheim. Ich bin immer noch unentschlossen. Aber ich bin froh und dankbar für die Freundschaft und Unterstützung anderer lesbischer und bisexueller Frauen, die mich zum Schreiben ermutigen, mich daran erinnerten, dass es wichtig ist, unseren Wünschen eine Stimme zu geben und mir nie das Gefühl geben, seltsam zu sein.

 

Jess Lea lebt in Melbourne, Australien, wo sie zunächst eine akademische Laufbahn verfolgte, bevor sie im sozialen Bereich zu arbeiten begann. Sie liebt klassische Krimis, Bücher von lustigen Frauen und lesbische Bücher aller Art. Jess schreibt in Cafés, in Parks und in ihren Pyjamas zu Hause, wenn sie eigentlich bei der Arbeit sein sollte. Zwei ihrer erotischen Kurzgeschichten sind in Berührt von ihr 2 erschienen.

5 Dinge, die ich als Autorin von lesbischer Erotik gerne vorher gewusst hätte
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One thought on “5 Dinge, die ich als Autorin von lesbischer Erotik gerne vorher gewusst hätte

  • 3. April 2020 um 22:10
    Permalink

    Toller Beitrag! Ich kämpfe selbst regelmäßig mit dem Schreiben von Sexszenen und habe beim Lesen des Artikels herzhaft lachen müssen.

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