Catherine Lundoffs fantastischer lesbischer Fantasyroman „Silver Moon“ wurde vom Ylva Verlag ins Deutsche übersetzt. Darin stellt eine Frau fest, dass Wechseljahre nicht nur Hitzewallungen hervorrufen können, sondern auch Fell und Reißzähne.
Hier geht die Autorin auf brennende Fragen zur Geschichte ein, wie beispielsweise: Warum Werwölfe in den Wechseljahren?
Ältere Frauen in Sci-Fi, Fantasy und Horror
Wie viele Frauen über 40 aus diesen Genres können Sie nennen? Und wie viele davon sind die Hauptfiguren der Geschichte? Sind Ihnen schon die Finger ausgegangen? Nein? Das dachte ich mir.
Sosehr ich Sci-Fi, Fantasy und Horror auch liebe, ältere Frauen sind in diesen Genres bemerkenswert wenig vertreten − und noch weniger ältere queere Frauen oder ältere Schwarze Frauen. Im Allgemeinen treten diese Frauen als böse Hexen auf, böse Königinnen und vielleicht, wenn sie Glück haben, als weise alte Lehrerinnen oder Großmütter. Sie sind da, um die Geschichte voranzutreiben, aber nicht, um im Mittelpunkt zu stehen.
Unausgesprochene Regeln für Romanheld*innen ändern
Ich wollte die gewohnten Muster aufrütteln. Ich wollte mich selbst und Frauen wie mich in Büchern sehen. Ich hatte es satt, mir Subtext auszudenken oder mir das weitere Leben der älteren Frauenfiguren nur vorzustellen, nachdem die „eigentliche“ Handlung weitergegangen war.
Warum sollte nicht auch eine alte Dame oder eine Frau in den Wechseljahren die Heldin sein können? Wie man so schön sagt: „Das sind keine Hitzewallungen, das sind Energieschübe.“ Und da ist auch etwas dran.
Der Eintritt in die Lebensmitte kann in mancher Hinsicht ungeheuer befreiend sein; die meisten Frauen in höherem Alter, die ich kenne, machen sich zum Beispiel viel weniger Gedanken darüber, was andere von ihnen denken.
Die westliche Kultur neigt dazu, ältere Frauen abzutun, weil wir nicht mehr als „schön“ oder gesellschaftlich nützlich gelten, sobald wir keine Kinder mehr gebären können − aber das kann auch eine Geheimwaffe sein.
Ich liebe die Idee, damit in einem Genre zu spielen, in dem fast alles möglich ist.
Verschiedene Arten von queeren Abenteuern
Bei Fantasy und Science Fiction sind Geschichten oft so geschrieben, dass sie wie Haie funktionieren: Sobald die Handlung sich nicht mehr weiterbewegt, stirbt jeder an Sauerstoffmangel. Abenteuer, Weltraumschlachten, Invasionen von Außerirdischen, Kämpfe gegen Orks, Riesenspinnen und mehr, immer in Bewegung, immer weiter.
Aber was ist mit inneren Reisen und Geschichten, die sich in einem ruhigeren, gediegeneren Tempo entwickeln?
Ich liebe wilde Abenteuer, aber ich lese auch gern über eine Frau mittleren Alters, die in eine magische Landschaft hineingezogen wird, als sie in ihr örtliches Einkaufszentrum geht; über eine Raumschiffkapitänin kurz vor der Pensionierung, die sich als Piratin wiederfindet und feststellt, dass es auf der falschen Seite des Gesetzes genauso viel Bürokratie gibt; oder über eine alternde Wissenschaftlerin, deren Geschichte sich um Laborarbeit und Liebe dreht, während sie versucht, ein Heilmittel für die Krankheit zu finden, die das Leben ihrer Frau bedroht.
Diese Geschichten gibt es, aber sie finden nicht so viel Beachtung wie die rasanteren Arbeiten. Es gibt auch einige inoffizielle „Regeln“ darüber, wer zu „alt“ ist, um Abenteuer zu erleben.
Ich denke, die offensichtliche Antwort ist, dass wir uns selbst hineinschreiben und die Definition dessen, was ein Abenteuer ausmacht, erweitern sollten!
Geschichten über ältere Frauen queer machen
Wenn also Geschichten über ältere Frauen nur wenig in Science Fiction, Fantasy und Horror vertreten sind, dann sind Geschichten über ältere queere Frauen noch seltener. Aber es gibt sie.
„Shadow Life“ von Hiromi Goto und Ann Xu ist eine neue Graphic Novel über eine 76-jährige bisexuelle japanisch-kanadische Frau, die den Tod und ihre Familie austricksen muss, die sie gegen ihren Willen in eine Einrichtung für betreutes Wohnen stecken will.
In Rachel Pollacks „Temporary Agency“ gibt es eine romantische Nebenhandlung mit lesbischen Charakteren in einer Geschichte über die Abwehr von Dämonen und einen magischen Angriff auf die New Yorker Börse.
„Dancing Jack“ von Laurie Marks ist eine postapokalyptische Geschichte über eine Lesbe mittleren Alters, die ihre dunkle Vergangenheit hinter sich lassen will und die Familie, Liebe und zu sich selbst findet.
Warum gibt es nicht mehr ältere Frauen als Heldinnen?
Ich habe ein berechtigtes Interesse an dieser Überlegung, denn mein 60. Geburtstag steht kurz bevor.
Aber darüber hinaus ist doch vor allem Science Fiction ein Genre, das sich mit unserer möglichen Zukunft befasst. Wenn wir also dort nicht dabei sind, wenn wir in diesen Geschichten nicht als queer und reif und knallhart vertreten sind, nehmen wir da draußen nicht den uns zustehenden Platz ein.
Es ist wichtig, dass wir ältere Frauen uns selbst repräsentiert sehen, aber es ist auch entscheidend für queere Jugendliche, sich vorstellen zu können, dass sie überleben und gedeihen und sogar alt werden können. Besonders jetzt.
Altern und auch der Tod sind Teil unseres Lebens. Wenn also Schriftsteller noch ein bisschen Abenteuer, zusammengefundene Familien, Liebe und mehr in die Geschichten einbauen können, die uns repräsentieren, warum nicht?
Fantasy und Horror sind Genres, die uns zeigen, was alles möglich ist, und die gleichzeitig eine Fluchtmöglichkeit aus unserer Realität bieten, einen Ausweg, auch wenn er nur vorübergehend ist. Eine neue Perspektive auf die Realität könnte uns am Ende alle retten.
Und diese Inspiration brauchen wir. Ältere queere Frauen sollten in all unseren Geschichten vorkommen, verdammt noch mal, denn wir sind wichtig und unsere Geschichten sind es auch!
Aber warum überhaupt Werwölfe mit Wechseljahren verbinden?
Mein erster Impuls, wenn jemand diese Frage stellt, ist die Antwort: „Warum nicht?“ Aber die Frage verdient eine bessere Antwort.
Ich wollte etwas Originelles machen, um zu zeigen, dass Frauen wie ich (mittleren Alters, bisexuell) erstaunliche Dinge tun und als Kameradinnen, Geliebte und Freundinnen zusammenfinden können, auch nachdem sie älter geworden sind.
Die Verwandlung in einen Werwolf und die Beschreibungen der „Symptome“ der Wechseljahre spiegeln sich so perfekt wider, dass ich überrascht war, dass niemand sie zuvor zusammengebracht hat:
„Stimmungsschwankungen!“ „Unerwarteter Haarwuchs!“ „Längere Zähne!“
Alles begann mit der Idee für eine Novelle − und jetzt ist es eine ganze Stadt (Wolf‘s Point), die von einem multikulturellen Werwolfsrudel beschützt wird, das sich ausschließlich aus Frauen mittleren und höheren Alters zusammensetzt, die sich gegenseitig den Rücken freihalten, kämpfen, sich verlieben und Freundschaften schließen.
Kurz gesagt, Werwölfe mit Wechseljahren sind das, was ich mir vom Alter gewünscht hätte, und was ich lesen möchte, wenn ich mich hinsetze, um eine Fantasy-Geschichte zu verschlingen.
Ich hoffe, Sie empfinden genauso!
Catherine Lundoff ist eine preisgekrönte Autorin und Lektorin aus Minneapolis. Die deutsche Version ihres Lesbenromans „Silver Moon“ ist nun bei Ylva erschienen.
Die Autorin spricht mir aus dem Herzen!
Auch ich bin 60 und auch mir fehlt die Repräsentation.
Danke für die klaren Worte und das Buch! Ich werde es gleich lesen!