Anlässlich des Celebrate Bisexuality Day am 23. September freut sich Ylva, mit Sarita KC, einer bisexuellen LGBT+ Aktivistin aus Nepal, sprechen zu dürfen. Sie erzählt uns von ihrer Bisexualität, ihrem Coming-out und wie sie für ein Nepal kämpft, in dem queere Menschen sicher leben können.
Willkommen Sarita. Wie hast du dein Coming-out in Nepal erlebt? Wie war das für dich auf persönlicher Ebene und im Gespräch mit anderen, deine Bisexualität offen zu zeigen?
Es war sehr schwierig, meine wahre Identität und Bisexualität zu offenbaren. Und die Phase, in der ich mich erstmals als bisexuelle Frau in der Gesellschaft gezeigt habe, war auch nicht leicht. Es gab viele Hindernisse zu überwinden. Ich habe mich davor gefürchtet, meine Bisexualität einem männlichen Partner zu offenbaren (was würde er denken und würde er mich verlassen?), meine wahre Identität zu kennen und echte Gefühle für beide Geschlechter zu haben. Sich als Frau zu beiden Geschlechtern hingezogen zu fühlen, ist keine einfache Angelegenheit in einer sich entwickelnden Gesellschaft wie Nepal. Oft beeinflussten die Gedanken und Wahrnehmung der Gesellschaft meine Denkprozesse.
Haben deine Familie und Freunde deine Bisexualität akzeptiert?
Meine Familie hat eine eigene Vorstellung von Männern und Frauen, die sehr schwer zu durchbrechen ist. Von mir wurde erwartet, dass ich einen Mann heirate und zu ihm nach Hause ziehe, aber ich habe andere Vorstellungen, die meine Familie nicht so leicht verstehen kann. Was meine Freunde betrifft, so wissen viele von ihnen nichts von meiner Bisexualität. Ich habe es nie als Notwendigkeit empfunden [es ihnen zu sagen], aber vielleicht liegt das auch nur an meiner Unsicherheit.
Hast du dich unter Druck gesetzt gefühlt, einen männlichen Partner zu wählen und deine Bisexualität zu verschweigen?
Während ich in einer Beziehung mit einem Mann war, hatte ich das Gefühl, dass ich mich immer auch zu Frauen hingezogen fühlte. Es gab eine Phase, in der ich das Gefühl hatte, dass ich vielleicht etwas falsch mache. Aber jetzt bin ich in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, und ich bin sehr glücklich.
Wie ist die Gesetzeslage für Menschen, die der LGBT+-Community angehören, in Nepal?
Die Bewegung für die gesetzlichen Rechte der LGBT+-Gemeinschaft begann um das Jahr 2000. Die Verfassung erlaubte die Verankerung des LGBT-Schutzes ab 2015.
Die nepalesische Verfassung enthält mehrere Bestimmungen zu den Rechten von LGBT+-Personen, wie das Recht auf einen Staatsbürgerschaftsnachweis [entsprechend der eigenen Geschlechtsidentität], das Verbot der Diskriminierung aus jeglichem Grund, einschließlich des Geschlechts, die Berechtigung für besonderen gesetzlichen Schutz und das Recht auf Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen für geschlechtliche und sexuelle Minderheiten. Sie werden jedoch nur sehr selten umgesetzt.
In den letzten fünfzehn Jahren hat die LGBT+-Gemeinschaft viele Aktionen unternommen, um diese Rechte zu erhalten. Wir sind immer dankbar für neue Gesetze. Aber einige Gesetze sind nach wie vor gegen uns, wie zum Beispiel die Gleichstellung der Ehe. In der Verfassung wird das Recht auf Gleichheit der Bürger erwähnt. Aber vor dem Zivilgericht wird nur die Ehe zwischen Mann und Frau anerkannt.
Die meisten Menschen in Nepal, die in hohen Positionen arbeiten, sind homophob und denken, dass die in der Verfassung verankerten Rechte für LGBT+ uns nicht gewährt werden sollten. Daher können wir unsere Rechte aufgrund dieser Denkweise und der Wahrnehmung der Gesellschaft nicht richtig wahrnehmen.
Menschen aus der LGBT+-Community werden als drittes Geschlecht und als Sexarbeiter angesehen und stigmatisiert.
Trotz unterstützender Gesetze und Bestimmungen für LGBT+-Personen haben wir in Nepal also immer noch mit gesellschaftlicher Diskriminierung zu kämpfen. Es gibt einen erheblichen Druck, sich anzupassen und einen Partner des anderen Geschlechts zu heiraten. Ich habe einige Freunde, die zögern, sich als LGBT+ zu outen, weil sie Angst haben, dass ihre eheliche Beziehung darunter leiden könnte.
Wie sieht das Dating in Nepal für LGBT+ Menschen aus? Wie findet ihr alle zueinander?
Ich persönlich kenne keine Dating-Apps, oder nutze sie. Die meisten queeren Menschen kennen mich von meiner Arbeit. Die Leute finden mich auch über gemeinsame Freunde in den sozialen Medien.
Ich habe von der Pink Tiffany Bar gehört, dem ersten LGBT+-freundlichen Restaurant und Bar in Kathmandu, das von Trans-Personen eröffnet wurde. Aber homosexuelle und bisexuelle Menschen gingen seltener dorthin, weil sie nicht wollten, dass ihre Identität Trans* zugeordnet wird. Heutzutage sind sich die meisten Menschen bewusst, dass die Bar nicht nur für Trans-Personen ist, daher ist es kein Problem mehr hinzugehen.
Du hast eine bunte Mischung von Karrieren hinter dir. Erzähl uns davon.
Ja, ich habe Erfahrungen in vielen verschiedenen Berufen gesammelt. Als Radiojockey (DJ) habe ich gelernt, meine Persönlichkeit und mein Wissen über den Umgang mit verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Bereichen zu pflegen. Das hat auch mein Selbstvertrauen gestärkt.
Als Lehrerin hatte ich die Möglichkeit, die Psychologie der Menschen kennen zu lernen. Mein Selbstbewusstsein wurde gestärkt, weil ich lernte, vor Menschenansammlungen zu sprechen, allerdings konnte ich nicht lange in diesen Bereichen arbeiten, weil ich keine persönliche Befriedigung fand.
Modedesign war von Anfang an mein Hobby. Ich mag es, Dinge zu entwerfen und habe in den letzten zwei Jahren daran gearbeitet. Das Modedesign hilft mir, die Pride Colors zu arrangieren und erlaubt mir auch, verschiedene Arten von Pride-Requisiten herzustellen.
Jetzt arbeite ich als Aktivistin in meiner eigenen LGBT+ – Organisation. Die Arbeit für die Menschenrechte erfüllt mich. Außerdem habe ich als Jugendpolitikerin gearbeitet und so habe ich das Funktionssystem der nepalesischen Regierung kennengelernt.
Ich bin Aktivistin, um für die Menschen zu kämpfen, die von der Gesellschaft nicht als gleichwertig anerkannt werden. Das ist meine Hauptmotivation.
Du bist derzeit Geschäftsführerin von Mitini Nepal. Was ist die Aufgabe dieser Wohltätigkeitsorganisation?
Meine Reise bei Mitini Nepal begann als Freiwillige und 2019 wurde ich zur Geschäftsführerin befördert.
Mitini Nepal ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich für lesbische, bisexuelle und transsexuelle Menschen einsetzt. Im Fokus stehen der Schutz und die Förderung der Menschenrechte von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten in Nepal. Sie setzt sich für eine gerechte Gesellschaft ein, in der LGBT+-Menschen respektiert werden und ein sicheres Leben mit ausreichend sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Rechten führen können.
Wo siehst du dich in 10 Jahren?
Sowohl persönlich als auch beruflich ist mein Leben immer noch in Mitini Nepal, und gefüllt mit Regenbogenfarben!
Ich denke, ich werde reifer sein, mehr Verantwortung tragen und mehr persönliche Pflichten haben. Aufgrund meiner Erfahrungen und meiner Arbeit vor Ort denke ich, dass ich mehr positive Ergebnisse im Kampf für die Menschenrechte erzielen werde.
Was erhoffst du dir am meisten vom Leben?
Genauso wie Hetero-Menschen ihr Leben genießen und ihre Identität ohne Probleme zeigen können, hoffe ich, dass auch LGBT+-Mitglieder ihre Identität und ihre wahre Sexualität ausleben können und dass die Gesellschaft sie einfach akzeptiert. Ohne zu zögern und ohne Diskriminierung.
Sarita KC ist eine bisexuelle LGBT+ Aktivistin aus Nepal. Als Geschäftsführerin der LBT+ Organisation Mitini Nepal, kämpft sie für eine gerechte Welt, in der Mitglieder der LGBT+ Community respektiert und akzeptiert werden, sich sicher fühlen und sowohl ihre Identität als auch ihre Sexualität offen, mit Stolz und ohne Furcht vor Diskriminierung leben können.
Weitere Informationen findet ihr unter diesen Links:
Homepage: https://mitininepal.org.np/
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Instagram: https://www.instagram.com/mitini_jewellery/