Daniela Zysk war über 25 Jahre lesbische Aktivistin in verschiedenen großen queeren Organisationen und Projekten. Jetzt arbeitet sie für den Ylva Verlag als Finance- & Diversity Managerin. In diesem Blogpost spricht sie darüber, wie wichtig lesbische Bücher für ihr Coming-Out und die Zeit danach waren und sind.
Meine erste lesbische Liebe waren Bücher. Ich erinnere mich noch heute daran, wie ich schon als Kind in jedem Buch den lesbischen Kontext suchte.
Oh wie sehr hatte ich mir schon in jungen Jahren gewünscht, dass im Buch „Der Trotzkopf“ sich die Hauptdarstellerin Ilse Macket und ihre Schulfreundin Nellie ineinander verlieben und zusammen dem ganzen patriachalen und sexistischen Alptraum entschwinden könnten.
Ohne es zu wissen, verschlang ich Kinderbücher und Jugendbücher um irgendwo die Andeutung einer lesbischen Liebe zu finden. Anfang der 80er Jahre leider noch vergeblich. Natürlich wusste ich damals nicht, wieso ich diese Gedanken hatte. Und ich wusste auch nicht, das andere diese Gedanken nicht hatten.
Mit 15 verliebte ich mich unglücklich in meine beste heterosexuelle Freundin und nach vielen Wochen voller Tränen war mir klar, dass meine Gefühle für eine Frau nicht dem gängigen Prozedere entsprachen. Ich erinnere nicht mehr ganz genau, wann ich für mich das Wort „Lesbisch“ gefunden hatte, aber ich wusste nach meinem inneren Coming-Out, wonach ich suchen musste. Als Leseratte natürlich zuerst in literarischer Form.
Flucht in schöne Geschichten und bessere Welten
In detektivischer Kleinstarbeit machte ich mich daran, soviel lesbische Werke wie möglich zu finden und zu lesen. In Zeiten vor dem Internet, hieß das noch, Bibliotheken zu durchforschen und in der nächsten Großstadt den Frauenbuchladen finden. Oh dieses Gefühl endlich einen neuen lesbischen Roman in den Händen zu halten, der dann auch noch ein Happy-End beinhaltete. Dieses emotionale Hochgefühl kann ich auch heute noch in mir spüren, wenn ich diese Werke in meinem Bücherregal stehen sehe.
Wie wunderbar war es, das erste Mal „Seltsamer Wein“ oder „Stoner McTavish“ zu lesen. Alle diese großartigen Bücher der Verlage Daphne, Ariadne, Frauenoffensive oder Orlando. Es war wie frisch verliebt sein. Es gab seitdem noch viele, viele solcher Momente. Erst durch Romane, später dann auch durch Fanfiction. Diese Geschichten waren und sind noch immer mein emotionales Schutzschild gegenüber dieser oft so grauen Welt. Immer wenn das Leben sich für mich in eine Achterbahnfahrt verwandelt, weiß ich, dass das rettende Ufer nur einen Griff ins Bücherregal oder den Kindle-Shop entfernt ist.
Als vegan lebende Tierrechtsaktivistin sehe ich mit Begeisterung wie das Wort „Vegan“ immer mehr in den Geschichten Einzug hält. Leider allzu oft noch mit einem negativen Unterton. So kann die Heldin des Romans zwar der Heteronormativität entfliehen und in die Arme einer anderen Frau, aber in Bezug auf ihr Essverhalten tickt sie doch weiter „normal“ und tut dies auch oft genauso kund. Als wäre Empathie gegenüber anderen Lebewesen ein negatives lesbisches Klischee das sofort abgeschüttelt werden muss. Es gibt aber schon erste Bücher mit veganen Hauptcharakteren. Etwas, das sicherlich mit der Zeit immer mehr zunehmen wird.
Bei Tierrechtsveranstaltungen die ich besuche, treffe ich oft auf mehr lesbische und queere Frauen, als bei viele LGBTIQ* Events. Der Markt für vegane Heldinnen dürfte also vorhanden sein.
Lesben in Filmen, Serien und Fanfiction
Meine zweite Liebe war der lesbische Film. Eine Liebe, die allerdings in den letzten Jahren immer wieder zu sehr auf die Probe gestellt wurde und dadurch etwas abgekühlt ist. Diese Filme werden zwar immer besser produziert, aber die Inhalte sind allzu oft austauschbar und zeigen zu selten ein realistisches oder gar positives Bild lesbischer Liebe.
Das Positive ist aber, dass selbst schlechte Filme und TV-Serien Autor*innen dazu verleiten umso bessere Fanfiction über Frauen zu schreiben. Jetzt sind wir mal ehrlich. Alles nach Staffel 1 von „Once Upon a Time“ war Kinderkacke! Was sind daraus aber wundervolle Fanfictions entstanden. So wie bei vielen anderen Serien davor und auch danach. Vorgegebene Hetero-Paarungen in TV Serien sind für Lesben uninteressant. Sie warten auf diesen einen besonderen Blick zwischen zwei Frauen und plötzlich öffnet sich eine ganz neue Welt für sie. Eine Welt, die von talentierten Autor*innen mit hundert-tausenden Wörtern in epische lesbische Liebesgeschichten verwandelt werden.
Es gibt Frauen, die auf „Lesbian Romance“ (also lesbische Liebesromane) herabschauen, als wäre es ein Kaugummi unter ihren Fußsohlen. Es gab schon Bemerkungen, dass Lesben wegen dieser Art Bücher kein Interesse mehr an politischen Frauenbüchern hätten. Der Untergang des lesbischen Abendlandes sozusagen.
Danke an die lesbischen Verlage und Autor*innen!
Ich persönlich feiere euch, liebe Autor:innen und liebe Verleger:innen. Ich feiere euch, weil viele erfolgreichen Dinge in meinem Leben nicht möglich gewesen wären ohne die Sichtbarkeit von Happy-Ends.
Sichtbarkeit, die ihr mir mit euren Büchern gegeben habt und jeden Tag aufs Neue gebt.
Daniela Zysk geboren und aufgewachsen in der schwäbischen Provinz, war über 25 Jahre lang als lesbische Aktivistin in diversen großen queeren Organisationen und Projekten tätig. Unter anderem ColognePride, Homochrom e.V., Webmagazin phenomenelle. Seit einiger Zeit widmet sie sich dem Thema der Tierbefreiung und hat dabei festgestellt, dass die Unterdrückung und Ausbeutung von Tieren der von menschlichen Minderheiten und Frauen sehr ähnlich ist.
Mir ging es wie dir… Mein allererstes Buch war „Mal langsam, Baby!“ von Meredith Sommer. Eine Flucht aus der Realität und die Gewissheit, es gibt noch andere 😉
Pingback:SELBSTFINDUNG DURCH BÜCHER: DIE REISE EINER AUTORIN LESBISCHER LIEBESROMANE