Zum Auftakt unserer kleinen Serie über die Gründe, warum wir Manuskripte ablehnen, wollen wir heute über das Thema „zeigen, nicht behaupten“ reden.

Einer der häufigsten Gründe, warum wir Manuskripte nicht annehmen, ist, dass Autoren in ihren Geschichten oftmals Dinge nüchtern erzählen, anstatt sie in lebendigen Details zu zeigen.

Im Englischen wird Autoren immer wieder geraten: “show, don’t tell.” Übersetzt heißt das in etwa „zeige, statt zu erzählen“ oder besser: „zeige, statt zu behaupten.“

Aber was heißt das überhaupt?

Behauptungen (“Telling”) geben dem Leser Schlussfolgerungen und Interpretationen vor. Der Autor fasst zusammen und erklärt, was in der Geschichte passiert. Der Leser erfährt so die Informationen, die er braucht – aber er erlebt sie nicht.

Das Zeigen (“Showing”) gibt dem Leser genügend konkrete Details, so dass er eigene Schlussfolgerungen anstellen kann. Der Leser erlebt in Echtzeit mit, was in der Geschichte passiert, statt einen Bericht aus zweiter Hand zu bekommen.

Warum ist Behaupten“ denn schlecht?

Wenn der Autor zu viel „behauptet“, bekommt der Leser die Ereignisse nur aus zweiter Hand geliefert, anstatt selbst Zeuge zu sein. Das distanziert den Leser von der Geschichte und ihren Charakteren. Der Leser hört auf, aktiv involviert zu sein, weil er gar nicht darüber nachdenken muss, was er da liest. Es ist ein bisschen so, als würde man die Zeitung lesen: Man lernt neue Fakten, aber man ist nicht emotional involviert. Wenn in der Zeitung steht „Ein zweiundvierzigjähriger Autofahrer verunglückte schwer“, dann nehmen wir das ohne große Emotion auf. Wenn wir aber zufälligerweise selbst Zeuge dieses Unfalls werden, sehen, wie der Unfall passiert, die Schreie des Verletzten hören, dann löst das automatisch Emotionen aus. Und das ist es, was Leser wollen: mitfühlen und mitfiebern.

Das erreicht man durch „Zeigen“. Es macht den Leser zu einem aktiven Teilnehmer, der eigene Schlüsse zieht und die Ereignisse gemeinsam mit den Charakteren erlebt.

Ist „Behaupten“ (Telling) immer schlecht?

Nein, manchmal ist es sogar besser zu behaupten, statt zu zeigen.

Wenn man etwas mit vielen Details zeigt, nimmt es mehr Raum auf der Seite ein und der Leser denkt sich: „Oh, das ist scheinbar wichtig. Hier muss ich aufpassen.“ Wenn der Autor nun jedes unwichtige Ereignis detailreich zeigt, wird der Leser irgendwann erschöpft sein und wichtige Ereignisse heben sich nicht mehr ab.

Wann sollte man also besser „behaupten“?

Behaupten kann man sehr gut verwenden für:

  • Alltägliche Tätigkeiten (zum Beispiel: Sie beendete den Anruf statt Sie drückte den kleinen roten Knopf auf ihrem Handy)
  • Übergänge, die eine Zeitspanne oder Distanz überbrücken, zum Beispiel Drei Tage später…
  • Dinge, die man bereits „gezeigt“ hat.

Woher weiß ich, ob ich „zeige“ oder „behaupte“?

Es gibt einige Warnzeichen fürs Behaupten:

  • Adverbien zeigen oft Behauptungen an. Beispiel: „Du bist ein Idiot“, sagte sie wütend. Stattdessen könnte man schreiben: „Du bist ein Idiot!“ Sie klatschte das Buch auf den Tisch.
  • Auch Adjektive weisen oft auf Behauptungen hin. Statt zu sagen Sie hatte Angst, könnte man schreiben: Oh Gott, oh Gott. Ihre Finger zitterten, als sie 110 wählte.
  • Redeerklärungen wie „behauptete“, „rief“ oder „gestand“ versuchen, dem Leser den Dialog zu erklären. Stattdessen sollte man den Dialog lieber für sich selbst sprechen lassen und einfach „sagte“ verwenden.
  • Wenn Emotionen beim Namen genannt werden (Sie schrie vor Angst), ist das meistens „Behaupten“. Handlungen, Gedanken, körperliche Reaktionen und Körpersprache zeigen stattdessen, was der Charakter fühlt.

Wie kann ich „zeigen“ statt zu „behaupten“?

  • Verwende alle Sinne. Lass den Leser miterleben, was die Charaktere sehen, hören, schmecken und fühlen.
  • Die Handlungen sollten in Echtzeit ablaufen.
  • Verwende konkrete Verben, die man auch nachspielen könnte. Statt er griff an, könnte man besser schreiben: Er riss beide Fäuste hoch und schlug zu.
  • Abstrakte Tätigkeiten sollten in kleinere Einheiten zerlegt werden. Statt also zu sagen Sie las die Zeitung, könnte man schreiben: Stirnrunzelnd überflog sie den Dow-Jones-Index.
  • Nenne keine Charaktereigenschaften, sondern zeige sie. Statt zu sagen Sie war eine schüchterne Frau, zeig uns wie sie während des ersten Treffens mit jemandem stottert.
  • Verwende möglichst starke, aktive Verben anstelle von schwachen, statischen. Anstatt also z.B. zu schreiben Der Mann war dünn und trug einen viel zu großen, alten Mantel, könntest du schreiben: Sein schmutziggrauer Mantel schlotterte um seinen Körper.
  • Versetze dich in den Charakter und schreibe die Szene aus seiner oder ihrer Perspektive.

Mehr Tipps zum Thema Erzählperspektive werden wir im Dezember hier veröffentlichen.

Da dies ja ein Artikel übers Zeigen ist, könntest du uns nicht ein paar Beispiele ZEIGEN?

Aber klar doch. Hier sind ein paar Beispiele: 

Behaupten

Zeigen

Es war heiß. Schweiß lief ihren Rücken hinab.
Er aß sein Abendessen. Bratenfett tropfte aus seinem Steak, als er ein großes Stück abschnitt. Der Geruch von Knoblauch und Kräuterbutter stieg ihm in die Nase.
Mandy war ein verwöhntes Kind. Mandy warf sich auf den Boden und strampelte mit den Beinen. „Nein, nein, nein, nein, nein! Ich will kein blödes Gemüse essen!“
Sie sah müde aus. Ihre Augenlider sanken herab und ihr Kinn fiel immer wieder auf ihre Brust.
Sie war übergewichtig. Sie hievte sich aus ihrem Stuhl.
Die Pizza war köstlich. Der Geruch von Mozzarella und frischen Tomaten ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Es war eine dunkle und stürmische Nacht. Der Wind zerrte an den Ästen und peitschte eiskalte Regentropfen vom dunklen Himmel.
Das Haus war heruntergekommen. Die Farbe blätterte von den Fensterbänken ab. Schimmelflecken breiteten sich an den Wänden aus.
„Es steht mir nicht zu, das zu beurteilen,“ sagte Hendrika mit ihrer typischen Bescheidenheit. „Es steht mir nicht zu, das zu beurteilen.“ Hendrika senkte den Blick und studierte ihre schwarzgeränderten Fingernägel.
Die Stute machte einen nervösen Schritt zur Seite. Amy stieg ab und beruhigte sie. Die Stute schnaubte und tänzelte zur Seite. Amy sprang aus dem Sattel. „Alles in Ordnung, meine Hübsche.“
Rika hatte Jo angebettelt, zu einer der Ärztinnen im Krankenhaus zu gehen, aber Jo hatte sich geweigert. Sie sagte, sie bräuchte jeden Cent, um ihr neues Leben im Westen zu beginnen. „Versprich mir, dass du zum Arzt gehen wirst. Im Krankenhaus haben sie jetzt auch weibliche Ärzte.“„Was würden die mir schon raten? Mich auszuruhen? Nicht mehr in der Mühle zu arbeiten?“ Jo schüttelte den Kopf. „Das kann ich mir nicht leisten.“

Rika presste ihre abgebrochenen Fingernägel in ihre Handflächen. „Aber vielleicht haben sie einen Hustensaft oder ein Tonikum, das dir helfen könnte.“

„Darauf kann ich kein Geld verschwenden. Ich brauche jeden Cent wenn ich in den Westen reise.“

„Amy! Was ist passiert?“ Sie hatte aufgehört zu zählen, wie oft so etwas schon geschehen war. Ihr erster Gedanke war immer, sicherzugehen, dass Amy nicht ernsthaft verletzt war. Noras Blick fiel auf Amys Kleid. Sie hastete die Verandastufen hinab. „Amy! Bist du verletzt? Was ist passiert?“

Wenn ihr Fragen oder Kommentare zum Thema „zeigen statt behaupten“ habt, bitte hinterlasst einfach einen Kommentar. Wir würden uns über angeregte Diskussionen sehr freuen.

Viel Spaß beim Schreiben

Jae

Zeigen, nicht behaupten

2 thoughts on “Zeigen, nicht behaupten

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