Nach der x-ten Trennung beschloss die französische lesbische Aktivistin Élie Chevillet andere Wege der Liebe zu erkunden. Sie berichtet, was sie dabei herausgefunden hat.
Ich verliebe mich in jemanden, genieße die Leidenschaft in vollen Zügen und gebe die Beziehung schließlich wieder auf, sobald sie verblasst ist. Auch in meinem Leben neigt die Geschichte dazu, sich zu wiederholen. Nach der x-ten Trennung beschloss ich, dass ich mit der seriellen Monogamie fertig war. Ich wollte andere Wege der Liebe erkunden.
Ein Versuch mit Polyamorie … und Ehrlichkeit
Die nächste Beziehung, die ich einging, war eine polyamoröse Fernbeziehung mit einer anderen Frau. Die Regeln waren einfach: Wir waren frei zu erleben, was wir wollten, aber sie wünschte sich, dass wir uns davon erzählten.
Es war klar, dass sie viel mehr zu erzählen haben würde, da sie regelmäßig Gelegenheitssex hatte. Wenn ich mich zu einer Person hingezogen fühle, entsteht dies aus einer emotionalen Bindung, daher sind One-Night-Stands für mich eine Katastrophe.
Als ich mich in eine befreundete verheiratete Hetera verliebte, beschloss ich, meiner Fernbeziehung davon zu erzählen. Das Gespräch nahm eine schlechte Wendung. Sie wurde nicht nur eiskalt, sondern hatte auch starke Bedenken, dass ich mich in diese Ehe einmische. Als hätten wir eine Exklusivbeziehung und ich hätte ihr gerade gestanden, dass ich sie betrüge.
Ich fühlte mich für meine Ehrlichkeit bestraft und beendete rasch die Beziehung … und die polyamoröse Reise.
Es geht nur um das Warum
Die Wahrheit ist, dass ich nicht das Bedürfnis habe, mich auf romantische oder sexuelle Weise mit mehreren Menschen gleichzeitig einzulassen. In der Vergangenheit hatte ich dennoch eine meiner Freundinnen betrogen und einer anderen angeboten, dass wir unsere Beziehung öffnen.
Kurz danach erzählte mir meine Freundin Seah, die auf romantische wie auch sexuelle Weise erkundungsfreudig ist, von diesem Paar, mit dem sie eine Beziehung begonnen hatte, und von ihrem sehr unangenehmen Gefühl, als sie herausfand, dass die beiden sie nur in ihr Bett geholt hatten, um eine Krise zu überwinden. „Es kommt auf den Grund an, warum du deine Beziehung öffnen willst“, stellte sie fest.
Ich hatte plötzlich realisiert, dass mein Grund falsch war. Mir fehlten damals nicht mehrere Partnerinnen – mir fehlte der Mut, Schluss zu machen.
Die Blüte der Polyamorie
In letzter Zeit leben viele in meinem Umfeld polyamorös. Meine polyamorösen Freundinnen geben sich einer tiefen Selbstbeobachtung hin, voller Schönheit und Herausforderungen. Ich kann sehen, wie sie über das Muster des gegenseitigen Besitzdenkens hinauswachsen und sich ihrer Verletzlichkeit stellen. Sie trotzen ihrer Eifersucht, indem sie akzeptieren, ihr zu begegnen.
Ihre verschiedenen Beziehungen nähren meine Freundinnen und bringen ihnen eine ganz neue Art von Glück. Ich bewundere sie – aber ich beneide sie nicht.
Exklusivität ist überholt
Heute lebe ich in einer exklusiven Beziehung mit meiner heterosexuellen besten Freundin, die sich als Lesbe entpuppt hat. Sie wohnt immer noch mit ihrem Ex-Mann und ihren beiden Kindern zusammen. Alle fünf als Familie zusammen zu sein, ist für uns ein Segen.
Allerdings wird Monogamie nicht mehr als zeitgemäß angesehen. So denkt zumindest meine Partnerin, seit sie gemerkt hat, wie sich Polyamorie in meinem Umfeld verbreitet. Und das macht ihr Angst. Sie fragt sich, wann ich genug von der Exklusivität haben werde und auch poly werden möchte.
Die hormonelle Achterbahn
Ich teile ihre Bedenken. Jedes Mal, wenn ich in einer Beziehung bin, denke ich an diese Studie, aus der hervorgeht, dass die Leidenschaft zwischen sechs Monaten und drei Jahren anhält. Ich fürchte mich vor dem Moment, in dem mein Körper aufhören wird, diese unglaublichen Chemikalien zu produzieren, und in dem die Beziehung auseinandergehen wird. Und üblicherweise passiert das auch.
Aber nicht mit ihr. Die Frist ist längst überschritten, und ich bin immer noch verliebt.
Der Alltag killt die Leidenschaft
Die Wahrheit ist, dass ich Angst habe, das zu verlieren, was ist. Ich habe Angst vor der häuslichen Routine, die das Zusammenleben mit sich bringt. Ich habe Angst vor Gesprächen über den Lebensmitteleinkauf, vor Streitigkeiten um den Haushalt und anderen Leidenschaftskillern. Ich habe Angst, meine Partnerin nicht mehr zu sehen, ohne es überhaupt zu merken.
Ich bin allergisch gegen „Wie war dein Tag?“-Fragen, die wir aus Gewohnheit stellen, und gegen Begrüßungsküsse, die wir wie Roboter geben. Ich bin allergisch gegen das „Wir“, das die Individualität auslöscht.
Ich möchte jeden Kuss, jede Berührung, jedes Gespräch wertschätzen. Ich will nichts für selbstverständlich halten. Ich will meine Partnerin feiern.
Freiheitsliebe
Was ich momentan erforschen will, ist nicht Polyamorie. Ich will lernen, mein Leben und meine Beziehungen bewusst zu leben. Ich möchte meine Muster dekonstruieren. Ich möchte wertschätzen, was ist.
Exklusivität ist aber auch keine Lösung. Ich will nicht, dass meine Partnerin nur mit mir zusammen ist, weil das der Deal ist. Ich möchte, dass sie das tut, weil sie es will. Ich glaube nicht an Regeln – ich glaube an Freiheit.
Élie Chevillet ist eine französische lesbische Bloggerin und Aktivistin. Du findest weitere Blogbeiträge von Élie für den Ylva Verlag hier.
Folge Élie auf Instagram: @eliechevillet