Daniela Zysk war über 25 Jahre lesbische Aktivistin in verschiedenen großen queeren Organisationen und Projekten. Jetzt arbeitet sie für den Ylva Verlag als Finance & Diversity Managerin. In diesem Blogbeitrag erzählt sie von den überraschenden Entdeckungen, die sie dank ihrer Wechseljahre an sich selbst gemacht hat.
Wenn man sich in diesen Tagen in meinem Umfeld bewegt, dann kommt man an einem Thema nicht vorbei, über das ich gerne spreche.
Die Wechseljahre, auch Klimakterium oder Menopause genannt.
Ich bin keine Gynäkologin (und auch die lernen im Studium nichts über die Wechseljahre), aber ich fasse es trotzdem kurz zusammen:
Das Klimakterium ist die hormonelle Umstellung eines Menschen mit Eierstöcken und Gebärmutter (meist als Frau bezeichnet), der das Ende der Fruchtbarkeit einläutet. Sie beginnt mit der Perimenopause, deren erste Symptome ab Ende 30 auftreten können, und endet mit der Postmenopause, 12 Monate nach der letzten Regelblutung. Die Menopause selbst bezeichnet nur die letzte Menstruation und ist somit nur ein sehr kleiner Teil des gesamten Klimakteriums.
Die Wechseljahre und ihre Begleiterscheinungen
Ich bin jetzt 47 Jahre alt und befinde mich mitten in der Perimenopause mit all ihren schönen und weniger schönen Begleiterscheinungen.
Angefangen hat es bei mir eigentlich schon mit Anfang 40, als ich körperlich auf dem Höhepunkt meiner sportlichen Leistungsfähigkeit war. Nach einem zehnstündigen Arbeitstag joggte ich abends noch locker 12 km als Training für einen Halbmarathon im Himalaya. (Heute erschöpft mich allein der Gedanke daran und ich sinke für ein Schläfchen aufs Sofa). Aber obwohl ich damals so fit war, hatte ich erste Anzeichen der Wechseljahre.
Es waren radikale Hautveränderungen, die ich nur mit einer antibiotischen Salbe in den Griff bekam, die ich wahrscheinlich für den Rest meines Lebens nehmen muss. Rosazea ist eine typische Erkrankung, die Frauen oft erst in den Wechseljahren bekommen, da sie mit der Hormonumstellung zusammenhängen kann. Natürlich hatte mir mein Hautarzt nichts davon gesagt und ich hätte ihm wahrscheinlich auch nicht geglaubt. Ich fühlte mich noch hundert Jahre von den Wechseljahren entfernt.
Jetzt sind es 5 Jahre später und die Symptome sind nicht mehr zu leugnen.
Nicht jede Frau hat Problem mit den Wechseljahren. Ein Drittel merkt gar nichts, ein Drittel hat leichte Beschwerden (dazu würde ich mich auch zählen) und ein Drittel hat starke Beschwerden.
Vor einigen Monaten habe ich bei meiner Frauenärztin einen Bluttest zur Bestimmung meiner Hormonwerte machen lassen. Abgesehen davon, dass dieser von Kassenpatientinnen selbst bezahlt werden muss (ca. 120,-Euro), war meine Ärztin davon gar nicht begeistert. Seit in den 90er-Jahren Hormontabletten (hergestellt u. a. aus Stutenurin *seufz, wer kommt immer auf diese bescheuerten Ideen*) wie Smarties von Ärzt:innen verteilt wurden und erst eine Studie im Jahr 2002 dem ein schnelles Ende setzte, da zahlreiche Nebenwirkungen publik wurden, scheuen viele Gynäkolog:innen das Thema Wechseljahre wie der Teufel das Weihwasser. Der durchgeführte Bluttest zeigte zum Glück keine behandelbaren Auffälligkeiten, nur dass ich eben in den Wechseljahren bin.
Mein größtes Problem war eine plötzliche Unverträglichkeit von Zucker und Weißmehl. Ich habe mich meist gesund und ausgewogen ernährt und lebe seit 10 Jahren vegan. Trotzdem bekam ich Symptome wie Herzrasen, starke Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen und akute Müdigkeitsattacken. Zum Glück merkte ich schnell, dass die Beschwerden immer größer wurden, wenn ich zu viel von meinen geliebten Brezeln gegessen oder von der veganen Schokolade genascht hatte. Nach einer sehr schlimmen Phase beschloss ich, meinen Zucker- und Weißmehlkonsum so weit wie möglich zu reduzieren. Meine körperliche Leistungsfähigkeit ist zwar nicht mehr so hoch wie vor 5 Jahren, aber ich habe wieder Lust auf Sport, ohne mich vor Schmerzen zu krümmen. Auch die Herzprobleme gehören erst mal der Vergangenheit an.
Und wir sind ja hier unter uns … Auch meine Libido, die sich kurzzeitig in den Winterschlaf verabschiedet hatte, kehrte zurück auf die Bühne meines Lebens.
Buchtipps
Ich habe in den letzten Monaten eine Reihe von Ratgebern und Büchern zu diesem Thema gelesen und war erschrocken, wie wenig aktuelle wissenschaftliche Literatur es in deutscher Sprache zu diesem Thema gibt.
Hier meine kleine Auswahl:
– Das Buch „Woman on Fire“ der Wiesbadener Gynäkologin Sheila de Liz ist zu Recht ein Bestseller und hat auch mir die Augen geöffnet.
– Anschließend habe ich „Die gereizte Frau“ von Miriam Stein gelesen, die versucht, das Thema auch feministisch einzuordnen.
– Ganz neu ist das Buch „Midlife“ von Katja Bigalke und Marietta Schwarz, die ebenfalls versuchen, die Probleme und Chancen der Wechseljahre umfassend darzustellen.
Alle diese Bücher haben mir sehr geholfen, meine körperlichen und auch seelischen Veränderungen besser zu verstehen. Allerdings waren diese Bücher aus einer meist heteronormativen Perspektive geschrieben (eine Ausnahme war „Midlife“) und behandelten in großen Teilen Themen wie Mutterschaft und heterosexuelles Begehren.
– Als ich das Buch „Verwandlungen – Lesben und die Wechseljahre“ von Ulrike Janz in die Hand bekam, schloss sich für mich der Kreis.
Sind die Wechseljahre für alle gleich?
Was unterscheidet die Wechseljahre für mich als Lesbe von anderen Frauen?
Körperlich sicherlich wenig, denn die Symptome können so vielfältig sein, wie es Frauen auf der Welt gibt.
Grundsätzlich kann frau erst einmal sagen, dass ich es als Kinderlose leichter habe. Ich kann meine schwindende Energie viel gezielter einsetzen als meine heterosexuellen Freundinnen, die sich mit zwei oder drei pubertierenden Kindern herumschlagen müssen. Neben Job, Haushalt und Ehemann in der Midlife-Crisis.
Auch der Verlust der Fruchtbarkeit ist für mich kein Thema, und schon gar nicht muss ich mich damit auseinandersetzen, ob ich für Männer noch attraktiv bin, obwohl die Falten tiefer werden und der Körper an der einen oder anderen Stelle zunimmt. Obwohl auch in der lesbischen Community der Jugendwahn in den letzten Jahren stark zugenommen hat, gelten graue Haare hier immer noch als sexy. Eine Tatsache, die mir erst so richtig bewusst wurde, als ich vor über zwei Jahren endlich zu meinen grauen Haaren stand und sie seitdem mit Stolz trage. Gerade von jüngeren Lesben bekomme ich seitdem viel Aufmerksamkeit.
Ich hatte schon immer einen sehr befreiten Umgang mit meiner Sexualität und mit meinem Körper. Das hat sich in den Wechseljahren sogar noch verstärkt. Es ist gerade so, als würde mein Verstand mir sagen: „Du hast jetzt nichts mehr zu verlieren. Lass die Party starten.“
Age-Gap – Mythos oder Realität?
Während Männer, die ältere Frauen sexy finden, kritisch beäugt werden und ihnen ein Ödipuskomplex unterstellt wird, ist es bei jungen Lesben eher die Regel als die Ausnahme, dass sie ältere Frauen wirklich begehrenswert finden, auch wenn wir nicht alle aussehen wie Cate Blanchett.
Ich weiß, wovon ich spreche. Ich war selbst eine dieser jungen Lesben. Und Bücher zum Thema Age-Gap gehören zu den Bestsellern des Ylva Verlags.
Was hat sich sonst noch bei mir verändert? Grundsätzlich ist mein Bullshit-Radar sensibler geworden und es fällt mir viel leichter, mich von Menschen oder Themen zu distanzieren. Ich habe viel weniger das Bedürfnis, anderen Menschen zu gefallen, weil mir klar geworden ist, dass die Hälfte meines Lebens hinter mir liegt und ich die nächsten Jahre so selbstbestimmt wie möglich leben möchte. Auch hier sind meine Voraussetzungen sehr viel besser als bei anderen Frauen, da ich finanziell unabhängig bin und für meine Rente gut vorsorgen konnte.
Wechseljahre oder Wechsel-Lesbe?
Zusammenfassend kann ich sagen, dass dieses Coming-out als „Lesbe in den Wechseljahren“ für mich der Startschuss in eine ganz neue Lebensphase ist. Sie birgt viele Risiken, vor allem körperlicher Art, gibt mir aber auch die Chance, mein Leben in einer noch nie da gewesenen Klarheit zu leben, denn die Nebel haben sich gelichtet und ich kann meine Bedürfnisse viel klarer nicht nur sehen, sondern auch artikulieren.
Und ich habe vor, das Beste daraus zu machen.
Towanda!
„Doch wenn zwei Frauen zusammenkommen, addieren sich nicht nur ihre Unterdrückungserfahrungen, sondern auch ihre Widerstandserfahrungen, ihre Sehnsüchte, ihre Verbundenheitsgefühle und ihre Kreativität. Außerdem steht jeder wechseljährigen Frau jetzt mehr Energie, mehr Kraft zur Verfügung, die sonst im monatlichen Blutungszyklus gebunden war.
Wenn dann noch zwei oder mehr Frauen zusammenkommen, die im Laufe ihres Sexlebens einiges an Stolz, Selbstbewusstsein, Verspieltheit und Kreativität erworben haben, kann sich die Kraft ihres entfachten sexuellen Feuers potenzieren und zur Stichflamme werden, die hoch in den Himmel lodert oder als warme Glut lange den heimischen Herd erwärmt.“
- „Verwandlungen – Lesben und die Wechseljahre“, Christa Schulte. Herausgeberin Ulrike Janz
Liebe Daniela, sehr schön in Worte gefasst 😊.
Ich bin auch gerade dabei mich selbst mit grauen Haaren sexy zu finden. Es ist ein Prozess 🧓🏻
Übrigens fand ich Deine Haare schon immer sexy, egal welchen Farbe sie haben 😘