Noch jeder Lesbenroman von Cheyenne Blue hat Leser*innen an unterschiedliche Orte geführt. Nach London und dem australischen Outback, geht es nun auf das Meer. In diesem Interview erzählt sie uns von ihrer LGBT+ Neuerscheinung Gemeinsam auf den Wellen , in der eine blinde Passagierin und eine Kapitänin auf einer Mission auf hoher See sind. Und sie verrät uns auch, wie wahrscheinlich es ist, dass ein*e Australier*in Wale zu Gesicht bekommt.
Kannst du uns erzählen, worum es in deinem queeren Lesbenroman Gemeinsam auf den Wellen geht?
Stevie hat sich den Erwartungen ihrer reichen Familie widersetzt und ist stattdessen ihrem Traum gefolgt, Krankenschwester zu werden. Ihre Eltern geben eine Party zu ihren Ehren, aber nach einer unerwarteten Ankündigung wird Stevies Abschluss nicht einmal erwähnt. Frustriert betrinkt Stevie sich, verlässt die Party und flüchtet auf eine verlassene Yacht im selben Hafen. Am nächsten Morgen wacht sie meilenweit vom Ufer entfernt auf.
Kaz, die Besitzerin der Jacht, ist auf einer Mission. Sie ist auf dem Weg zu einem Umweltprotest im Meer vor Südaustralien. Auf keinen Fall wird sie den Protest gefährden, um ihre blinde Passagierin zurück an Land zu bringen. Auch wenn das bedeutet, dass Stevie den ersten Tag ihres neuen Jobs verpassen wird.
Zusammen auf dem Meer schmieden Kaz und Stevie eine unerwartete Freundschaft – und den Beginn von etwas mehr.
Die Geschichte von Kaz und Stevie spielt zunächst auf einer kleinen Yacht im Südpolarmeer. Dann wird sie in der kleinen Küstenstadt fortgesetzt, in der sie beide leben.
Gehörst du zu den Autor*innen, die ihre Handlung vor dem Schreiben des Textes planen, oder wartest du ab, wohin die Geschichte dich führt?
Früher, als ich nur Kurzgeschichten geschrieben habe, habe ich mit zwei Figuren angefangen und geschaut, wohin mich die Geschichte führt. Jetzt bin ich ein Plotter und habe meine Notizen und Skizzen während des Schreibens immer parat.
Das heißt aber nicht, dass ich nicht von einer Wendung der Handlung, einer neuen Figur oder einer Nebenhandlung überrascht werde. In Gemeinsam auf den Wellen kam Sindbad, Kaz‘ Seefahrerkatze, erst spät hinzu. Es hat so viel Spaß gemacht, ihn zu schreiben. Viele Leser*innen haben mir gesagt, dass Sindbad nach Stevie und Kaz ihre Lieblingsfigur ist!
Was ist dein persönlicher Lieblingsmoment in diesem Lesbenroman?
Das ist eine einfache Frage. Auf dem Weg zu ihrer Reise begegnen Stevie und Kaz einigen Buckelwalen.
Buckelwale sind sehr verbreitet im australischen Meer. Von Juni bis Oktober wandern sie von den antarktischen Gewässern die Ostküste hinauf nach Hervey Bay in Queensland, um zu kalben. Ihre Wanderroute führt an mehreren Landzungen entlang der Küste vorbei.
In den letzten Jahren habe ich in einem Küstenschutzpark in Queensland für das „Vegetationsmanagement“ gearbeitet, was nur ein schickes Wort für Unkrautjäten ist. Glücklicherweise fiel das mit dem Zeitraum zusammen, in dem die Wale an der Küste vorbeiziehen. Sie schwimmen parallel zum Strand und wenn sie die Landzunge erreichen, schwenken sie aufs Meer hinaus. Jeden Morgen stand ich vor Sonnenaufgang auf, nahm eine Kanne Kaffee und ging hinaus auf die Landzunge, um in den ruhigen Gewässern nach den Walen Ausschau zu halten. Ich achtete auf das sanfte Plätschern, die Wölbung eines Rückens, eine Welle von Schwanzflossen und die langen, sanften Ausatmungen. Nach der Arbeit, ging ich wieder dorthin – diesmal mit Wein – und beobachtete sie erneut. Manchmal sah ich sie kaum die Oberfläche brechen, manchmal einen riesigen Keilkopf über dem Wasser.
Wale zu sehen ist magisch, sogar spirituell. Wale sind ein sehr visuelles Symbol dafür, dass es mehr Leben auf der Erde gibt als Menschen. In meinem Lesbenroman Gemeinsam auf den Wellen sorgen die Wale für einen Moment der Verbundenheit zwischen Kaz und Stevie. Auch verstärken sie den Umweltaspekt der gesamten Geschichte.
Stevie hält an dem Glauben festhält, dass sie die Beziehung zu ihren Eltern wieder aufbauen kann, egal wie sehr sie sie verletzt haben. Was hat dich zu diesem Handlungsstrang inspiriert?
Die meisten von uns haben irgendeine Art von Familie. Wir lieben sie und wir hassen sie. Eine enge, einander unterstützende Familie kann der Grundstein für ein glückliches Leben sein.
Stevie und ihre Schwester Ash hatten keine warme Familie, der sie sich voll anvertrauen konnten. Ein solches Umfeld kann manche Menschen enorm von ihrer Familie entfernen. Aber für Stevie hatte es den gegenteiligen Effekt. Sie sucht später im Leben die Verbindung zu ihren Eltern, die sie in ihrer Jugend vermisst hat.
Im Grunde ihres Herzens ist Stevie eine Person, die sich um andere kümmert und sie nicht aufgibt, und das gilt auch für die Beziehung zu ihren Eltern.
Über welche anderen Schauplätze würdest du in einem zukünftigen Lesbenroman gern noch schreiben?
Mein nächstes Buch, The Number 94 Project, spielt in Melbourne, Australien. Eine meiner Lieblingsstädte. Ich liebe ihre Vielfalt, die Kunstszene, die Café- und Musikszene. Die vielen Grünflächen in der Innenstadt. Ich wollte schon immer mal ein Buch in einer solchen Großstadt spielen lassen und bin sehr gespannt auf dieses Buch.
Da ich am liebsten über Orte schreibe, die ich aus dem wirklichen Leben kenne, hoffe ich, eines Tages nach Colorado zurückzukehren. Dort habe ich zehn Jahre lang gelebt, und würde gern ein Buch schreiben, das in den Rockies spielt.
Cheyenne Blue hat in Großbritannien, Irland, den Vereinigten Staaten und der Schweiz gelebt. Jetzt schreibt, isst und trinkt sie aber am Strand von Queensland, Australien und genießt die Schönheit ihres neuen Heimatlandes.
Cheyenne hat im Englischen diverse Bücher, Anthologien und Kurzgeschichten veröffentlicht. Ungebunden ins Glück war das erste ihrer Bücher, das auch auf Deutsch erschienen ist, inzwischen wurden mit Gemeinsam auf den Wellen allerdings auch ihre gesamte Girl-Meets-Girl-Serie und zwei alleinstehende, lesbische Liebesromane vom Ylva-Verlag ins Deutsche übersetzt.